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Kommunizieren unter Stress: Tipps und Übungen für eine konstruktive Kommunikation

Gelassen und schlagfertig in stressigen Situationen zu reagieren ist nicht gerade einfach. Mit achtsamer Selbststeuerungskompetenz lässt sich die Kommunikation im Job verbessern und Kollegen locker ausbremsen.
von Sabine Keßel
Tipps zum besser kommunizieren© contrastwerkstatt - Fotolia.com

Gelingende Kommunikation ist für alle Menschen ein wichtiges Thema – sei es, weil man seine Beziehungen gut und befriedigend gestalten will, weil man die Dinge, die einem wichtig sind, durchsetzen möchte oder einfach weil man miteinander arbeiten will oder muss. Ohne Kommunikation geht nichts. Und wie Paul Watzlawik es so schön ausgedrückt hat: Man kann nicht nicht kommunizieren.

Achtsamkeit im Job OnlinekursInhalte:

  • Was passiert im Gehirn unter Stress und warum ist es so schwer, in der Kommunikation achtsam zu bleiben?
  • Emotionsregulation: Was brauche ich, um in der Situation angemessen reagieren

Übungen:

  • Reflexion von schwierigen Kommunikationssituationen – was wird da in mir berührt?
  • Techniken zur Entspannung und Entschleunigung im Gespräch
  • Erkenne dein inneres Team
  • Konstruktiv kommunizieren

Die meisten Menschen haben auch eine Idee davon, wie Kommunikation gut gelingt: durch ihre eigenen Erfahrungen, durch Vorbilder oder durch Weiterbildungen. Aber immer wieder gibt es Situationen, bei denen man sich anschließend fragt, „warum habe ich so reagiert?“, wo man feststellt, dass man im Eifer des Gefechts impulsiv und irrational gehandelt hat und damit die Situation nicht gelöst, sondern eher verschärft hat. Manchmal müssen bestimmte Leute nur einen Knopf drücken und man hängt schon quer unter der Decke vor Ärger.

Stress behindert konstruktive Kommunikation

Das sind Situationen, in denen wir emotional berührt werden und unter Stress geraten – was einem übrigens in diesem Moment nicht unbedingt bewusst sein muss. Unter Stress reagieren wir nämlich oft gar nicht so, wie wir es von uns erwarten oder wünschen. Da greifen wir eher auf alte, kindisch anmutende Muster zurück oder – wenn es ganz schlimm wird – reagieren wir mit Frontalangriff oder genau dem Gegenteil davon: mit Flucht.

Und dann sagen Sie vielleicht, „Ja ja theoretisch weiß ich, wie es „richtig“ geht. Aber in diesem Augenblick habe ich keinen Zugriff darauf, ich reagiere dann total impulsiv – quasi automatisch. Ich kann dann nicht anders!

Die gute Nachricht: Es geht doch anders! Und man kann es üben! Oder vielleicht besser: man muss es üben! Es reicht nämlich meist nicht, sich das einfach mal so vorzunehmen und ab morgen klappt es dann. Es geht darum, seine Selbststeuerungskompetenzen zu schulen. Drei Dinge sind dafür wichtig: Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstregulation.

Was passiert im Gehirn unter Stress und wie verhalten wir uns dann?

Wenn wir gestresst sind, agieren wir oft wie ferngesteuert – vernünftiges Handeln scheint dann unmöglich. Statt im Konflikt einen kühlen Kopf zu bewahren, geht der Ärger mit uns durch oder wir erstarren hilflos. Warum ist das so?

Der Hirnforscher Gerald Hüther beschreibt dieses Phänomen so: Wir können uns die Vorgänge in unserem Kopf wie einen Fahrstuhl vorstellen, der unter hohem Druck vom Obergeschoss in den Keller rast. Im Obergeschoss (im präfrontalen Kortex) ist der Bereich für die umsichtigen Lösungswege, hier können wir die Sache nüchtern betrachten und abwägen, sind im guten Kontakt zu unseren Gefühlen, können diese managen und entscheiden besonnen.

Unter Stress sind wir mehr im limbischen System unterwegs, hier reagieren wir impulshaft und schnell und greifen dann eher auf alte, früh gelernte Bewältigungsstrategien unserer Kindheit zurück. Wir werden zum Beispiel trotzig, sind beleidigt oder haben ganz schnell Tränen in den Augen. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann landen wir mit dem Fahrstuhl im „Keller“ – im sogenannten Reptiliengehirn. Dort haben wir nur noch Zugriff auf die archaischen Handlungsmuster: Angriff, Flucht oder Erstarrung.

Wie kann ich im Stress gelassener kommunizieren?

Um auch in stressigen Situationen konstruktiv kommunizieren zu können, ist es wichtig, seine Selbststeuerungskompetenz zu erhöhen. Dazu gehören drei Faktoren: Selbstwahrnehmnung, Selbstreflexion und Selbstregulierung.

Eine entscheidende Schlüsselkompetenz für alle drei Faktoren ist die Haltung und Methode der Achtsamkeit, also das nicht-bewertende Wahrnehmen dessen, was im Augenblick geschieht, ohne, dass ich gleich reagieren muss.

1. Selbstwahrnehmung – in Kontakt mit mir selbst

Um mich selbst und mein Verhalten in der Kommunikation gut steuern zu können, brauche ich eine stabile Selbstwahrnehmung. Oft sind wir in schwierigen Gesprächen nur beim Gegenüber und machen dessen Verhalten verantwortlich für unsere Reaktion. Es geht aber darum, zu lernen unsere inneren Reaktionen wahrzunehmen, die Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen und dann bewusst zu entscheiden, wie ich jetzt weiter agieren möchte.

Regelmäßige Achtsamkeitsübungen helfen, die nicht-wertende und nicht-reaktive Selbstwahrnehmung zu intensivieren. Vielleicht beginnen Sie mit einer ganz kleinen Übung und machen diese dreimal täglich: Die sogenannte 3-Minuten-Übung

2. Selbstreflexion – guck mal wer da spricht

Der Mensch ist ein komplexes Wesen. Das spürt man vor allem in Situationen, in denen wir uns unklar, innerlich zerrissen oder unter Druck fühlen. Da scheint es manchmal, als seien wir nicht eins, sondern viele. So kann ich beispielsweise einen Anteil in mir haben, der danach strebt, möglichst alles perfekt zu organisieren, meinen inneren Manager.

Daneben gibt es vielleicht noch einen Teil, der sich eher aggressiv und kämpferisch zeigt, wenn etwas nicht nach den eigenen Vorstellungen läuft – die Zicke. Und im Hintergrund ist vielleicht ein ganz stiller Teil, der möglicherweise eher verletzlich und unsicher ist – die Dünnhäutige. Alle drei Teile (und wahrscheinlich noch einige mehr) sind in mir lebendig und sind je nach Situation mehr oder weniger präsent.

Der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schultz von Thun nennt diese Anteile das „innere Team“. Die Teammitglieder unterscheiden sich auf vielfältige Weise. Sie sind laut oder leise, melden sich schnell oder langsam, sind dominant im Außenkontakt oder zeigen sich nur nach innen, wo sie als Gedanke, Gefühl, Impuls, Stimmung oder Körpersignal auftreten. Zwischen unseren Teammitgliedern herrscht eine ähnliche Gruppendynamik wie im wirklichen Leben auch.

In einer Konfliktsituation fühlt sich vielleicht der Manager angegriffen und denkt „So kann man das doch nicht machen!“ und schickt die Zicke auf die Bühne: „Jetzt reicht ́s mir aber!“ Im Hintergrund ist aber auch der unsichere Anteil wahrzunehmen, der denkt, „Hab ich jetzt schon wieder was falsch gemacht?“

Um Eskalationen im Konflikt zu vermeiden ist es sinnvoll, seine Teammitglieder zu erkennen und die automatisierte Dynamik zu unterbrechen. Sie können damit beginnen, dass Sie nach einer Auseinandersetzung die Situation nochmal reflektieren und versuchen, Ihre inneren Anteile zu identifizieren.

Anleitung zum Herunterladen: Das innere Team identifizieren

3. Selbstregulierung – Cool Down!

Damit wir in einem Konflikt angemessen agieren können, ist es wichtig, unsere Emotionen in der Situation direkt zu regulieren, denn nur im beruhigten Zustand ist besonnenes Handeln überhaupt möglich. Auch hier gibt es drei grundlegende Möglichkeiten: Atmen, Entschleunigen und der Selbstausdruck.

a) Atmen

Unter Stress atmen wir eher schnell und flach, im ruhigen Zustand eher tiefer und langsamer. Zwischen Körperfunktion und emotionalem Zustand gibt es eine Wechselwirkung. Stress beeinflusst den Atem und der flache, schnelle Atem bestätigt dem Gehirn: Hier ist Stress. Somit hat man durch die Veränderung der Atemfrequenz und der Atemtiefe die Möglichkeit, seinen emotionalen Zustand zu beeinflussen. Das Signal an das Gehirn ist dann: Alles in Ordnung, habe die Situation im Griff.

Aufmerksamkeit auf den Atem lenken

Wenn Sie das Stressempfinden bemerken, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf dem Atem und versuchen Sie tiefer und langsamer zu atmen. Ein paar tiefe Atemzüge haben schon einen spürbaren Effekt. Das kann man nicht nur in der stressigen Situation selbst tun, sondern immer wieder am Tag üben (dann ist es in der Stresssituation leichter). Nehmen Sie sich dreimal am Tag Zeit für die 3-Minuten-Übung (siehe oben)

Beruhigendes Atmen

Wenn Sie einen besonders starken Druck verspüren, dann machen Sie einen Stopp und atmen Sie zehnmal tief ein und aus. Am besten gelingt das, wenn Sie beim Ausatmen darauf achten, sich ganz leer zu machen, so dass keine Luft mehr in Ihnen zu sein scheint. Helfen Sie nach, indem Sie den Bauch einziehen und damit alle Luft „auswringen“. Die nächste (tiefe) Einatmung kommt dann von ganz alleine. Das tiefe Atmen hat eine beruhigende Wirkung auf Körper und Geist.

b) Entschleunigen

Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Freiheit, hat Viktor Frankl, der Erfinder der Logotherapie gesagt. Das heißt, wenn wir es schaffen, den Reaktions-Automatismus zu unterbinden, indem wir eben nicht sofort reagieren, haben wir die Freiheit zu wählen, wie wir uns verhalten wollen. Tipp: einmal atmen vor dem Antworten.

In Gesprächssituationen ist es sehr nützlich, das Tempo raus zu nehmen, sprechen Sie langsamer und dosierter. Und atmen Sie mindestens einmal ein und aus, bevor Sie zu einer Antwort ansetzen.

Zuhören üben

Üben Sie sich im Zuhören, unterbrechen Sie nicht. Hören Sie wirklich, was der andere Ihnen mitzuteilen hat – auch wenn Sie denken, Sie wissen eh schon was er sagen will.

Zeit gewinnen

Zeit gewinnen kann man gut, indem man indem man das Gesagte in eigenen Worten wiederholt, Verständnisfragen stellt „wie genau meinst du das?“ oder mit „aha, ach so“, „verstehe“ reagiert.

Vertagen

Manchmal gelingt die Beruhigung in der Situation selbst aber auch nicht, dann kann es sinnvoll sein, das Gespräch zu vertagen. Wenn die Gemüter sich wieder beruhigt haben, kann man wieder anders miteinander umgehen

Üben Sie das Entschleunigen und interessierte Zuhören auch in leichten Situationen.

Selbstausdruck statt Kritik

Wenn Sie eine bestimmte Emotion sehr deutlich spüren, ist es hilfreich, diese auch zum Ausdruck zu bringen, damit Sie sich wieder mehr entspannen können. Das bedeutet nicht, die Emotion auszuagieren, indem Sie zum Beispiel Ihrem Ärger luftmachen und den anderen in scharfem Ton zurecht weisen (oder schlimmeres…).

Selbstausdruck bedeutet, die Emotion zu formulieren und dem anderen mitzuteilen: „Ich bin gerade sehr ärgerlich“ oder „Das irritiert mich“ oder „Ich fühle mich gekränkt“. Das Formulieren allein bringt schon einen enorme Erleichterung und macht es zudem dem anderen möglich, damit umzugehen.

Und wie oben schon gesagt, es ist ein Übungsprozess, seine gewohnten Kommunikationsmuster zu verändern. Verzagen Sie nicht, wenn es erstmal noch nicht so gut gelingt. Sich über die eigenen Muster bewusst zu werden, ist der erste Schritt – die Veränderung folgt dann nach und nach.

Kommunikation konstruktiv gestalten

Auf der Basis einer guten Selbststeuerung können Sie dann hilfreiche Kommunikationsmethoden einsetzen. Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg beispielsweise sind eine gute Möglichkeit, eine stimmige innere Haltung zu entwickeln und sich und seinem Gesprächspartner die Gelegenheit zu geben, wirklich miteinander in Kontakt zu kommen und einen Konflikt konstruktiv zu klären. Eine kurze Anleitung finden Sie hier.

Anleitung zum Herunterladen: Konstruktiv kommunizieren nach Rosenberg

Unsere Reihe im Überblick:
Auftakt-Interview: Wie du bei der Arbeit gelassener bleiben kannst

Teil 1: Gelassenheit im Job! Mit Achtsamkeit den Stress leichter bewältigen
Teil 2: Mit Achtsamkeit Ziele erreichen – Ressourcenorientierte Selbstführung
Teil 3: Das schaffe ich schon! Zeitmanagement und Stressbewältigung
Teil 4: Cool down! Achtsam kommunizieren auch unter hohem Stress
Teil 5: Mach kein Stress! Wirksame Stressbewältigung im Team
Teil 6: Mindful Leadership: Achtsamkeit als Führungskompetenz

Expertin: Sabine Keßel
Sabine Keßel ist systemische Beraterin, Coach und Achtsamkeitstrainerin. Sie coacht Menschen, Teams und Organisationen.