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Yoga Spirit: Ist Yoga die Religion unserer Zeit?

Immer weniger Menschen sind religiös. Dafür boomen Entspannungsmethoden wie Yoga. Kann das eine das andere ersetzen?
von Annette Coumont
Yoga am Time SquareFoto: Charles Guerin © picture alliance / abaca

Der Trendsport Yoga ist gut für Körper, Geist und Seele. Unsere Bloggerin Annette Coumont macht sich Gedanken, wie unsere Gesellschaft auch ohne Religion spirituell und gesund bleiben kann.

„Fuck Yoga“ – mit diesem Spruch auf weißem T-Shirt konnten wir schon 2005 in der Fernsehserie „Sex and the City“ einen muskulösen Lover von Samantha anschauen und uns wundern. Da war Yoga in den USA schon längst eine Massenbewegung. Und jeder Massenbewegung folgt ja bekanntlich ihr Anti-Trend. Gegen Yoga zu sein, schien in den USA damals geradezu avantgardistisch zu sein.

Yoga ist kein Trend, sondern längst eine Massenbewegung

Auch hierzulande ist es nun so weit: Erste kritische Stimmen zu Yoga, seinem wahren Gehalt und seiner – möglicherweise nur angeblich – gesundheitsfördernden Wirkung werden lauter. Das zeigt: Yoga ist auch in Deutschland längst in der Masse angekommen. Mindestens drei Millionen Menschen in Deutschland (und 250 Millionen weltweit) praktizieren Yoga. Was zunächst aussah wie ein indischer Modetrend aus Hippie-Zeiten hat längst faktisch Einzug gehalten in unsere moderne Lebenskultur.

Yoga-Angebote verschiedenster Stile ( Hatha-, Bikram-, Power-, Kundalini-Yoga, u.v.m.) finden wir überall: in Yogaschulen, Sport-Vereinen, Fitness-Studios, in Schulen und selbst am Arbeitsplatz. Die Krankenkassen haben Yoga längst als präventive Technik der Gesundheitsförderung anerkannt. Und auch – oder gerade – rational denkende Menschen wie Manager, Politiker oder Wissenschaftler öffnen sich vermehrt den wirkungsvollen Geistes- und Körper-Techniken verschiedenster Yoga- oder Meditationsstile, aber auch anderen traditionell asiatischen Disziplinen wie Qi Gong oder Tai Chi.

Einklang von Körper und Geist mit dem spirituellen Sport

Das Wort Yoga stammt aus dem Sanskrit und kann mit „Verbindung“, „Vereinigung“ oder „Anbindung“ übersetzt werden. Es stammt aus den religiösen Traditionen des Hinduismus oder Buddhismus und es geht dabei immer um eine Verbindung zu Gott oder zum Göttlichen durch verschiedene körperliche und geistige Techniken. Dabei ist Yoga in den asiatischen Traditionen das, was für uns Christen die Mystik und für die Muslime der Sufismus ist: Ein Weg, Gott möglichst direkt zu erfahren. Die westliche moderne Yoga-Kultur hat dagegen die Geist- und Körper-Technik vom religiösen Zusammenhang entkoppelt und strebt eine Einheit von Körper und Geist oder von Geist und Umgebung an – je nach Richtung, Tradition oder Gusto. So unterschiedlich die Yogastile–  so unterschiedlich die Interpretationen und Ausführungen.

Yoga: Gottlose Gesellschaft und spirituelle Suche

Was auffällt: Je gottloser unsere moderne digitale Gesellschaft zu werden scheint, desto mehr spirituelle Techniken kehren ein. Nur noch etwas über 50% der Deutschen gehören einer der beiden Groß-Kirchen an; die Kirchenaustritte lagen in den letzten Jahren immer zwischen 200.000 und 300.000 pro Jahr, Tendenz wieder steigend. Da mutet es wunderlich an, wenn man Yogis beim Sonnengruß beobachtet, der körperlich durchaus fordernd ist und stark an die wiederholten Niederwerfungen auf dem muslimischen Gebetsteppich erinnert.

Gemeinsames Singen und Tönen, wie in manchen Yoga-Stilen üblich, kennen wir aus allen religiösen Traditionen, ebenso wie das Schweigen. Askese und Wahrhaftigkeit sind Tugenden, die unsere ökonomisierte Gesellschaft beinahe vergessen hat. Samadhi, die Versenkung in der Meditation scheint geradezu die Zeit aufzuheben, die uns so chronisch knapp ist und uns zu entrinnen scheint.

Dies sind nur einige Beispiele für Techniken, die im Rahmen von Yoga zur Anwendung kommen. Den meisten Yogis reicht aber schon der rein körperliche Aspekt: die sogenannten Asanas, also Körperhaltungen. Bei so manchen Übungen wird die Yogamatte zum fliegenden Teppich, denn fast immer berichten die Yogis über die befreiende und beschwingende Wirkung des Yoga.

Yoga mit Jesus – Offen für alle Religionen

Die meisten Yoga-Schulen unterrichten Yoga transkonfessionell, also ohne die Anknüpfung an eine bestimmte Glaubensrichtung und offen für alle Religionen. Frei nach Sri Ramakrishnas Erkenntnis, dass es „… derselbe Gott ist, zu dem sie alle streben, wenn auch auf verschiedenen Wegen können auch gläubige Christen die Techniken ausüben. Bei einigen Yoga-Stilen, wie zum Beispiel dem Ashtanga-Yoga nach Sri Patthabi Jois arbeiten sich die Yogis unter ganz realen Qualen an einer schweißtreibenden Übungsserie ab, hier soll der Vergleich mit den Leiden Christi manchem Linderung bringen und Trost spenden. Die vollständige Loslösung von körperlichen Schmerzen, mentalen Bewertungen sowie den Früchten der eigenen Yoga-Praxis machen die Übungen zur Opfergabe an etwas Höheres. Gott?

Spiritualität ohne Glaube – Religionen dürfen draussen bleiben

Wer nicht an Gott in einer konfessionellen Tradition glaubt oder einfach gar nicht glaubt, der kann die Yoga-Techniken aber ebenfalls nutzen. In den meisten westlichen Yoga-Traditionen wird der körperliche Aspekt der Asanas überbetont.

Andere Disziplinen greifen vor allem die Meditation heraus. Zusammen bringen sie dem Übenden meist eine gesteigerte geistige Klarheit, Energiegewinn und Entspannung. Dies ist auch der Grund, warum viele „Führungskräfte“ Yoga und Meditation nutzen. Gerade Manager sind häufig mit der Dynamik und der Komplexität der wirtschaftlichen Entwicklung überfordert. Da helfen nur Reflexion, Konzentration und Ruhe. Ob „Business-Yoga“ oder „Zen für Führungskräfte“ – der spirituelle Markt für diese Zielgruppe boomt.

Yoga und Meditation – Frequenz der Stille

Denn ebenso wie der Glaube an Gott das Leben auf wundersame Weise verlängern kann, sind auch spirituelle Techniken wie Yoga als präventive, therapeutische und gesund erhaltende Maßnahme wirksam. So gibt es wissenschaftlich nachgewiesene Wirkungs-Zusammenhänge vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen, Angst und Depression sowie chronischen Kopfschmerzen. Vor allem bei Erschöpfung und chronischer Überlastung vollbringen Yoga und Meditation regelrechte Wunder. Denn für dieses moderne Krankheitsbild liegen die Ursachen vor allem im überhitzten Geist, der zu dauernder Leistungsorientierung und hohen Ansprüchen neigt.

Dagegen wirkt Meditation ganzheitlich auf Körper und Geist und vermittelt ein anhaltendes Glücksgefühl in Form von gesteigerter Zufriedenheit, mentaler Ruhe und Klarheit sowie Entspannung. Es wäre demzufolge gewiss eine gute Therapie-Ergänzung auch gegen die neue Zivilisationskrankheit „Burnout“.

Yoga und Meditation füllen die spirituelle Lücke

Vielleicht wird die spirituelle Lücke, die durch die Abkehr von den hiesigen Weltreligionen entstanden ist, durch die Anwendung von Yoga- und Meditationstechniken ein wenig geschlossen? Ein Bedürfnis nach Spirit scheint es (bewusst oder unbewusst) jedenfalls zu geben. Sonst würden ganz normale Leute, die Yoga machen, nicht so bereitwillig in asketischen Haltungen verharren, Mantras rezitieren und die kosmisch-geistige Urformel Om tönen. Normaler Sport scheint derartigen Spirit und seelischen Einklang jedenfalls nicht zu erzeugen.

Spirituelle Techniken wie Yoga und Meditation tragen dazu bei, dass wir klar und bewusst leben, entspannt und gesund bleiben. Das ist in unserer komplexen und dynamischen Zeit nicht mehr selbstverständlich. Damit leisten sie auch einen großen Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit unseren eigenen Ressourcen.
Omen.

Autorin: Annette Coumont
Annette Coumont bietet Content Marketing für Themen rund um Nachhaltigkeit und bewusstes Leben. Sie ist Mit-Gründerin von evidero Ansprechpartnerin für Partner und Experten, die über redaktionelle Formate im Netz sichtbar werden wollen.