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Im neuen Jahr wird alles besser: Warum ich mir dieses Jahr KEINE Neujahrsvorsätze vornehme

In der ersten Januarwoche platzt das Fitnessstudio aus allen Nähten. Die Bio-Supermärkte machen einen Umsatz wie sonst selten und die Gastronomie erleidet den schlimmsten Einbruch des Jahres. Alles zurückzuführen auf die guten Neujahrsvorsätze?
Autorin Esther Hilger
von Esther Hilger
Silvester feiern ohne VorsätzePhoto by Adam Birkett on Unsplash

Am Ende des Jahres stellt sich wieder die Frage nach den Neujahrsvorsätzen. Nehme ich mir für das neue Jahr Vorsätze vor? Und wenn ja – welche? Zeit, die vergangenen Listen zu evaluieren.

Neujahrsvorsätze: So soll das Erreichen der Ziele klappen

Vor wenigen Jahren habe ich mich kurzweilig von der Genialität von Neujahrsvorsätzen überzeugen lassen und höchst motiviert eine Liste angelegt. Dabei habe ich streng die zu befolgenden Regeln eingehalten:

  • Beschränke dich auf wenige, wichtige Vorsätze.
  • Auch wenn die Vorsätze wichtig sind, sie sollten realisierbar sein.
  • Überleg dir eine konkrete Herangehensweise. Gute Vorsätze dürfen nicht abstrakt formuliert sein.
  • Mach dir einen Plan B, bevor du merkst, dass du Schwierigkeiten hast, die Vorsätze einzuhalten.
  • Such dir Hilfe oder gar Mitstreiter*innen in deinem Umfeld.

Die Liste war kurz, die Vorsätze lagen mir wirklich am Herzen und ich glaubte, die Umsetzung meiner Ziele sei absolut realistisch.

Meine (gescheiterten) Neujahrsvorsätze

Sechs klassische Werke in einem Jahr – kein Problem. Da ich sowieso viel lese, ist ein Buch in zwei Monaten zu lesen keine echte Herausforderung. Das Problem: Plötzlich entwickle ich eine Abneigung gegen klassische Literaturwerke, die bereit liegen, gelesen zu werden.

Mein Plan B war, möglichst kurze Klassiker, wie Der alte Mann und das Meer zu lesen (Werke, wie Buddenbrooks von Thomas Mann habe ich mir gleich untersagt – ganz so naiv bin ich nicht an die Sache herangegangen), aber selbst diese reizten mich plötzlich gar nicht mehr. Dieses Phänomen kannte ich bis dahin nur aus der Uni. Interessante Texte werden plötzlich zur Qual, schlicht, weil ich sie nun mit Pflicht und Zwang assoziiere.

Vorsätze wie weniger Zucker essen und regelmäßiger Sport zu treiben habe ich mir gespart. Erstens esse ich wenig Zucker und mache Sport, zweitens besagt die Regel, Vorsätze nur konkret und nie abstrakt zu formulieren.

Folglich lautete mein Neujahrsvorsatz “Mindestens zwei saubere Klimmzüge hintereinander schaffen”. Einen schaffe ich, da sollte es doch möglich sein, mit regelmäßiger Übung einen zweiten bewältigen zu können. Die versteckte Schwierigkeit, die mir während der Überlegung dieses Ziels nicht in den Sinn kam, ist, dass dieses Vorhaben bedeutet, stärker und nicht schwerer zu werden.

Sprich regelmäßig Kraft- und Ausdauersport, eine weiterhin gesunde beziehungsweise nicht zu kalorienreiche Ernährung, ausreichend Schlaf und Motivation, Beharrlichkeit und Widerständigfähigkeit.

Sprich, absolut realistisch und gar nicht zu hoch gesteckt (Achtung: Ironie!).

Erreicht habe ich das Ziel, das ich eigentlich nur aufgeschrieben habe, um dann ein befriedigendes Häkchen hinzufügen zu können. Der Abschluss meiner Ausbildung war vorauszusehen und zeitlich nicht zu verändern. Der Vorsatz war zwar wichtig, aber befriedigend war es nicht, weil ich den Vorsatz im Dezember formuliert habe.

So wirst du schön, schlank und brilliant

Im Nachhinein ärgere mich selbst aber nicht darüber, dass ich mir Neujahrsvorsätze gemacht habe, sondern welche Ziele ist mir dabei gesetzt habe. Denn – und das ist eigentlich unumgänglich – es dreht sich mal wieder alles um die gute alte Selbstoptimierung. Ich wollte meine Bildung, meinen Intellekt, meine Sportlichkeit und mein Aussehen (das eher unbewusst) verbessern.

Vorsätze wie “mit dem Rauchen aufzuhören” oder “die abendliche Social-Media-Abstinenz” sind nachvollziehbar und anerkennenswert. Verständlich ist auch, dass man sich einen festen Termin für den Beginn wünscht, auf den man sich gegebenenfalls vorbereiten kann.

Beispielsweise essen viele Neu-Vegetarier vor der Umstellung noch ein letztes Mal ihre Lieblingsspeisen mit Fleisch (zuletzt gelesen in Untenrum frei von Margarete Stokowski) und es scheint zu funktionieren.

Mit Gewohnheiten brechen

Doch wirken Vorsätze wie ein gesünderes  Leben ohne Zigaretten zu komplex, um auf einer To-Do-Liste zu stehen, die man das Jahr über abhaken möchte.

Zunächst einmal muss wohl jeder für sich klären, ob Rauchen nun eine Gewohnheit, eine Sucht oder eine Krankheit ist und ob sich diese Begriffe und was dahinter steckt überhaupt so einfach voneinander trennen lassen.

Geht man vom Alkoholismus aus, spricht man nicht von einer Gewohnheit oder einem Verhalten, das man einfach ab Januar ändert. Alkoholismus ist eine Krankheit. Wer sich vornimmt im neuen Jahr weniger Alkohol zu konsumieren, muss sich also erstmal die Frage stellen, welche Rolle Alkohol in seinem oder ihrem Leben spielt.

Ich möchte damit sagen, im weitesten Sinne dreht es sich immer um die Selbstoptimierung – und das nervt. Doch sehe ich dennoch ein, dass es auch Ziele gibt, die durchaus erstrebenswert sind. Dazu gehört unter anderem, mit dem Rauchen oder Trinken aufzuhören. Aber dieses Thema ist doch einfach zu groß für einen Neujahrsvorsatz, oder?

Wann sind Menschen bereit für Verhaltensänderungen?

Der Neujahrsbeginn scheint nicht der richtige Moment für eine echte Verhaltensänderung. Gewohnheiten werden häufig nach Schicksalsschlägen wie Trennungen, Krankheiten oder Jobverlusten gebrochen. Der Mensch muss sich neu ordnen und bricht (teilweise gezwungenermaßen) mit seinen Gewohnheiten. Folglich ändert sich das Verhalten.

Eine gute Freundin verliert regelmäßig ihr Handy, wenn sie ausgeht, und hatte bisher immer das Glück, ihr Handy am darauffolgenden Tag wiederzubekommen. Warum verliert sie immer noch so häufig ihr Handy? Weil sie einfach noch nie richtig auf den Arsch gefallen ist.

Dazu sei gesagt, dass Gewohnheitsänderung natürlich nicht grundsätzlich an Schicksalsschläge gebunden sind. Ein (gewollter) Ortswechsel, eine neue Beziehung, ein Jobwechsel und vieles mehr können das Verhalten ebenfalls verändern.

Ob der Ausgangspunkt nun positiv oder negativ erlebt wird, spielt letztlich kaum eine Rolle. Fakt ist, dass sich das Verhalten zu diesem Zeitpunkt am ehesten ändert.

Deutsche nahmen sich in den vergangenen Jahren am häufigsten vor, ihren Stress ab dem kommenden Jahr zu minimieren. Man könnte sich folglich die Frage stellen: Ist der Januar die tragende Säule, um dieses Ziel zu erreichen oder sollte man lieber etwas an seinem Arbeitsverhältnis ändern? Ist das Fazit dann, sich für das neue Jahr vorzunehmen, einen neuen Job zu suchen? Um Himmels Willen, nein.

Autorin Esther Hilger
Esther Hilger
Esther, 1993 in Köln geboren, studiert Sozialwissenschaften und irgendwas mit Medien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf