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Leben mit chronischen Schmerzen: Wie ich gelernt habe, mit meinen chronischen Schmerzen umzugehen

Wenn Schmerzen ein Dauerzustand sind, braucht man Strategien, wie man mit ihnen umgehen kann. Eine chronische Schmerzpatientin berichtet, wie sie das tut.
von Anonyme Autorin
Foto: © Patrizia Tilly - Fotolia.com

Migräne, Rückenleiden oder andauernde Darmbeschwerden: 17% der Deutschen sind laut der Deutschen Schmerzgesellschaft von chronischen Schmerzen betroffen. Diese können eine ganz unterschiedliche Intensität aufweisen, aber jede/r Betroffene muss damit leben. Eine davon erzählt bei uns, wie sie ihren Weg gefunden hat, sich nicht entmutigen zu lassen.

Seltene Krankheiten: Wenn der Arzt nicht weiter weiß

Angefangen hat alles vor etwa vier Jahren beim Joggen. Knieschmerzen, nichts Verwunderliches bei einer gelenk-belastenden Sportart. Zuerst habe ich mir also nichts dabei gedacht und erst, als es einfach nicht mehr besser wurde und ich schließlich nicht einmal mehr gehen konnte, ohne Schmerzen zu haben, ging ich zum Arzt.

Dieser konnte am Knie keinerlei Auffälligkeiten feststellen und schickte mich zur Physiotherapie, um die Muskeln und Bänder zu stärken. Der Physiotherapeut drückte am Knie herum, was natürlich weh tat. Wenig überraschend. Und dann drückte er irgendwann auf meinen Oberschenkel und ich dachte: Ups. Und dann drückte er auf meine Hüfte und ich wollte schreien. Alamiert begann er, weitere Körperregionen abzutasten und stellte schnell fest: Es ist fast egal wo er drückt, es tut überall höllisch weh.

Mit einer ersten Vermutung schickte er mich zu inneren Medizin, die schickten mich zur Rheumatologie und schließlich bekam ich vor drei Jahren meine Diagnose: Fibromyalgie. Auch: Muskel-Faser-Schmerz, eine chronische, unheilbare Krankheit. Wie und warum diese Krankheit entsteht, kann niemand so genau sagen. Eigentlich kann man sie auch nicht diagnostizieren, denn abgesehen vom Schmerz und den Nebenerscheinungen gibt es keine physisch feststellbaren Symptome. Ein psychischer Auslöser? Wahrscheinlich. Rückgängig zu machen? Leider nicht.

Die Symptome von Fibromyalgie

Es gibt einen ganzen Katalog von Symptomen, die bei Fibromyalgie auftreten können. Erlebt habe ich folgende:

  • Plötzlich auftretender Schmerz, völlig wahllos irgendwo im Körper. Fuß, Schulter, Rücken, Brustkorb, beim Atmen, beim Auftreten, im Bauch. Plötzlich ist er da und plötzlich ist er wieder weg.

  • Panikattacken. Vor allem in der Anfangszeit, wenn der Schmerz im Brustkorb sitzt, das Atmen schwerer fällt und man einfach nur hofft: Nicht das Herz. Ich bin viel zu jung fürs Herz!

  • Schlafstörungen. Mein Gehirn steht unter Dauerstrom. Das wird vermutlich vielen anderen Schmerzpatienten auch so gehen. Das Gehirn kann kaum abschalten, wenn es immerzu die Info bekommt: Hey, da tut etwas weh!

  • Müdigkeit und Konzentrationsschwäche. Aufmerksam zu sein ist mir immer leicht gefallen. Weder in der Schule noch in der Uni musste ich jemals viel lernen. Als meine Krankheit ausbrach, habe ich die 90 Minuten in der Uni kaum noch geschafft, ohne einzuschlafen.

  • Gesteigertes Schmerzempfinden. Man sollte an mir tunlichst nicht herumdrücken, denn mir tun Dinge weh, die andere nicht einmal merken. Und alles, was anderen auch wehtut, merke ich besonders heftig.

  • Unterleibsbeschwerden. Wurde zuerst als Blinddarm vermutet und so fühlte es sich auch an. Entzündungen waren aber nicht festzustellen.

Ganz ehrlich: Am Anfang wäre ich fast verzweifelt. Zu wissen, dass man diese Schmerzen wahrscheinlich niemals los wird, ist deprimierend. Sehr. Ich musste mit dem Joggen aufhören, schlief schlechter, war immer müde und musste ein Semester ans Studium anhängen. Einmal war eine Panikattacke so schlimm, dass ich mich nachts von meinen Eltern abholen lassen musste.

Ich versank in Selbstmitleid und konnte kaum noch über etwas anderes nachdenken oder sprechen. Doch dann stellte ich fest: So will ich nicht leben! Ich will mein Leben nicht von dieser Krankheit kontrollieren lassen! Es ist MEIN Leben und das gebe ich nicht einfach her!

Diese Strategien helfen mir in meinem Alltag mit chronischen Schmerzen

  1. Bewegen. Und zwar viel. Auch wenn niemand so genau weiß, woher die Krankheit eigentlich kommt, ist bekannt, dass sanfte Ausdauersportarten wie Walken, Radfahren oder Schwimmen die Symptome mildern. Das stimmt. Meine Schmerzattacken sind jetzt seltener.

  2. Atmen. Manchmal kommt es vor, dass ein Schmerzanfall mich überfällt. Das merkt man meist daran, dass ich mitten im Satz aufhöre, zu reden, oder wenn ich gerade irgendwo entlang gehe, einfach stehenbleibe. Ich bringe meinen Körper in völlige Stille, bewege für einige Sekunden keinen Muskel und konzentriere mich nur darauf, ein und aus zu atmen. Die meisten meiner Freunde kennen das schon und wissen: Okay, Schmerzen. Da muss man einfach abwarten. Bitte aber nicht auf einer viel befahrenen Straße ausprobieren.

  3. Duschen. Wenn Panik und Sorge in meinem Kopf überhand nehmen, wenn die Schmerzen zu schlimm sind und ich mich frage, ob sie je wieder aufhören oder was passieren soll, wenn ich mal einen Herzinfarkt habe und es nicht merke, dann gehe ich duschen. Warum das hilft? Ich habe keine Ahnung, ich bin ja keine Psychologin. Vielleicht liegt es an der symbolischen Reinigung. Ich bin jedenfalls froh, dass es hilft.

  4. Akzeptieren. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt. Die Schmerzen sind ein Teil von mir, den ich nicht wegdiskutieren kann, so sehr ich mir das auch wünsche. Zu Jammern bringt mich nicht weiter. Als ich akzeptierte, dass sich das nicht ändern wird, wurde es leichter. Denn dann kann man weitergehen.

  5. Pausen machen. Wenn das Gehirn andauernd Schmerz-Signale empfängt, ist das anstrengend. Es macht müde und unkonzentriert und lässt einen schlechter schlafen. Darum braucht der Körper Pausen, in denen er einfach nichts tut. Diese Pausen müssen nicht lang sein, es kann reichen, sich nach der Arbeit mal für 15 Minuten aufs Sofa zu legen und nichts zu tun. Einfach gar nichts. Oder in der Mittagspause einen kleinen Spaziergang zu machen, anstatt sie vor dem Rechner zu verbringen. Das ist wichtig.

  6. Ausprobieren. Niemand kann dir sagen, was dein Körper kann oder nicht. Niemand kann dir sagen, was dir gut tun wird und was dir schadet. Es gibt so viele Sportarten und Techniken, eine davon ist immer die richtige. Mir hilft am besten Musik, das war schon vorher so. Sie unterstützt mich beim Abschalten und um wieder runterzukommen.

  7. Alternativen suchen. Joggen darf ich nicht mehr, dafür kann ich aber Radfahren oder Wandern. Ich kann nicht mehr 3 Stunden am Stück einem Professor zuhören, kann aber meine Kurse anders legen, sodass ich Pausen zwischendurch habe. Ich brauche länger zum Einschlafen, also plane ich von vorneherein mehr Zeit ein. Das ist vielleicht alles nicht meine Idealvorstellung, aber so fühle ich mich weniger eingeschränkt. Ich darf und kann nicht alles. Aber ich darf und kann etwas anderes. Aktiv zu sein fällt mir zum Beispiel wesentlich leichter, als einem Vortrag zuzuhören. Also mache ich eben das.

  8. Ernährung umstellen. Mein Körper hat eine Dauerbelastung. Es ist nur logisch, dass ich ihn also an anderen Stellen versuche, zu entlasten. Zum Beispiel, indem ich mich gesünder ernähre. Ich versuche, mehr Rohkost und weniger Zucker zu essen. Aber nicht, weil ich abnehmen will, sondern weil es mir besser geht damit. Das Abnehmen ist zugegebenermaßen aber ein erwünschter Nebeneffekt. Denn in der Zeit meiner Diagnose habe ich viel, viel zugenommen.

  9. Vorwärts gehen. Zurückblicken hilft nichts. Ja, früher konnte ich dieses und jenes und jetzt kann ich das nicht mehr. Dafür kann ich jetzt andere Dinge. Zum Beispiel bin ich feinfühliger anderen Menschen gegenüber geworden, die Probleme oder Beschwerden haben. Ich bin auch feinfühliger mir selbst gegenüber geworden, denn nicht nur mein Körper verlangt nach Aufmerksamkeit. Ich habe vieles über mich gelernt, das mir meine Zukunft erleichtern wird. Darauf will ich den Fokus legen, denn das bringt mich weiter.

Natürlich ist das alles nicht immer leicht. Manchmal gibt es Momente, in denen ich ganz böse Wörter denke, die ich hier nicht wiederholen möchte, und meiner Krankheit am liebsten eine reinhauen würde. Und dann denke ich: Ach, was soll’s. Ändern würde sich dadurch nichts, außer dass mir wahrscheinlich die Hand wehtun würde.

Lies hier im Interview mit Markus Rachl, wie wir Schmerzen vermeiden und heilen können

Autorin: Anonyme Autorin
Die Autorin / Interviewpartnerin dieses Textes möchte nicht namentlich genannt werden...