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Chemische Zusatzstoffe in Fleischersatzprodukten: Warum veganes Fleisch zwar pflanzlich aber doch ungesund ist

Weniger Fleisch soll man essen, das ist gesünder. Und auf die Bratwurst muss man ja auch nicht wirklich verzichten, denn gibt es sie ja auch in der Veggie-Variante. Aber - ist das wirklich gesünder für uns?
Hans Ulrich Grimm
von Dr. Hans-Ulrich Grimm
Veganes Fleisch ist so künstlich wie ein Plastik-Hamburger© pamela_d_mcadams - Fotolia.com

Immer mehr Menschen wollen auf tierische Produkten verzichten und das ist natürlich auch gut. Jedoch boomt auch die Industrie für Fleischersatzprodukte oder pflanzliche Milchvarianten wie Sojamilch. Das Problem: Nicht nur kommen viele Produkte von denselbenFleischherstellern, die man eigentlich nicht mehr unterstützen wollte, viele von ihnen sind auch noch vollgestopft mit Chemie und reine Kunstprodukte. Im letzten Auszug aus Hans-Ulrich Grimms Buch “Die Fleischlüge” dreht sich heute alles um den Veggie-Burger.

Anfangs galt er als Held der Bewegung, ein Pionier des tierfreien Lebens, der den Erfolg sozusagen selbst verkörpert. Früher war er wabbelig, jetzt hat er einen Wasch- brettbauch: Attila Hildmann, Kochbuchautor, Pionier und Promoter des veganen Daseins – und erfolgreicher Geschäftsmann, er fährt einen Porsche, macht auch Werbung für Vitaminpillen.

Und schon beschimpfen sie ihn: »Du bist kein Veganer, du bist einfach ein ›Kein-Fleisch-Esser‹, eine Werbenutte auf der Welle des Veganismus. Solltest du mir über den Weg laufen, ich spucke dir auf die Füße.« Statt immerzu nur auf den Pegelstand im Geldspeicher zu starren, hätte er vielleicht mehr davon reden sollen, wie wichtig es ihm ist, den Planeten zu retten.

Eine Welt ohne Fleisch – Dank Fleischersatz

So wie jener sympathische junge Mann, der offenbar zutiefst an das Gute im Menschen glaubt, der sich zu jenen zählt, deren Ziel die »Erschaffung einer besseren Welt« sei. Und das ist: eine Welt ohne Fleisch. Das macht ihn zum wahren Helden, das ist Musik in den Ohren der Investoren.

Hans Ulrich Grimm
Experte: Dr. Hans-Ulrich Grimm
Dr. Hans-Ulrich Grimm ist Journalist und Autor, er lebt in Stuttgart.
Joshua Tetrick, geboren am 23. März 1980, lebte sieben Jahre in Afrika, arbeitete dort unter anderem bei einer Initiative der Vereinten Nationen in Kenia und als Lehrer für Straßenkinder in mehreren afrikanischen Staaten.

Die Credibility als Weltverbesserer in Sachen Ernährung bezieht er auch aus seinen familiären Erfahrungen: »Mein Dad kümmerte sich einen Dreck um das, was er aß. Es war alles scheiße, Scheiß-Essen, und ich erkannte, dass Millionen von Menschen überall auf der Welt genauso essen.«

Ein weiteres Motiv war sein persönliches Gesundheitsproblem, ein angeborener Herzfehler. Die Folgen: Atemnot, Herzrhythmusstörungen. »Hypertrophe Kardiomyopathie« heißt das.

All das machte Tetrick zum Shooting-Star der Fleischlosen. Er wurde schon zur Symbolfigur für die »Zukunft der Nahrung« ausgerufen, von namhaften US-Medien. Er hat sogar ein großes Menschheitsrätsel gelöst, das Henne-Ei-Problem. Bei ihm ist es nicht mehr die Frage, was zuerst da war, die Henne oder das Ei. Bei ihm gibt es das Ei ohne Henne. Ein bisschen künstlich, klar, schließlich kommen seine Investoren aus dem Silicon Valley. Aber immerhin: Sie kommen.

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Kunstprodukte statt Massentierhaltung

Denn es lockt ein Riesenmarkt. Verständlicherweise haben immer mehr Menschen die Nase voll von den Erzeugnissen der Massentierhaltung. Weil sie nicht möchten, dass so mit den Tieren umgegangen wird. Und wer da mit massentauglichen Alternativen am Start ist, bei dem läuft bald der Geldspeicher über.

Für viele geht es auch um die Gesundheit, so wie für Josh selbst. Wenn die Tierindustrie krank macht, braucht es vielleicht eine ganz neue Industrie für tierfreie Ersatzprodukte. Man könnte natürlich einfach mehr Gemüse essen. Statt Steak ein Steinpilzrisotto, statt Burger einen Brokkoliauflauf, statt Kalbsschnitzel eines aus Sellerie. So macht man aber keine Investoren glücklich.

Die neuen Stars wie Josh wollen deshalb etwas ganz Neues schaffen: Steaks, Burger, Schnitzel oder Rührei aus dem Labor. Alles wie bisher, nur ohne Tier. Technisch eine schöne Herausforderung.

Ob das so gut ist für die Gesundheit? Theoretisch schon. Tierfrei leben ist möglich, sagen die Fachleute – aber ganz einfach ist es nicht, sich mit den nötigen Nährstoffen zu versorgen. Und wenn etwas falsch läuft, sind die Folgen unangenehm bis verheerend, vor allem bei Kindern. Zudem ist üppig Chemie im Spiel. Die hippen Hersteller, die aus dem Silicon Valley kommen, haben damit natürlich kein Problem. Und auch die großen Food-Konzerne nicht, die jetzt in tierfrei machen.

Veggie gibt es auch von Fleischherstellern

Nestlé zum Beispiel verkauft unter dem Label Garden Gourmet »Würstchen«, »Bratwurst« und »Frikadellen«, alles vegetarisch. Sogar der Schlachtkonzern Tönnies macht jetzt in Tofu, unter der Marke Tillmann’s (»Don’t call it Schnitzel«). Und natürlich ist auch der Hühner-Marktführer Wiesenhof mit dabei: mit der Linie »Paul’s Veggie«, völlig geflügelfrei, wie etwa das Veggie Crispy-Schnitzel.

Der österreichische Fleischwarenhersteller Landhof aus Linz produziert Wurst ohne Fleisch für Supermarktketten wie Real, Kaufland, Edeka, tegut, Aldi und Metro.

Es ist eine seltsame neue Welt, mit bizarren Produkten: Es gibt das Veggie-Putenschnitzel, nachgebildet aus Soja, Pflanzenstärke, Zucker. Und sogar Veggie-Hähnchenschle- gel. Es gibt ein Veggie-Fischsteak, Veggie-Scampis und sogar Vegetarischen Caviar. Oder den Schweizer No Muh-Käse (No-Muh-Chäs) aus pflanzlichen Ölen und Fetten, Kartoffelstärke, Reismehl und ein paar umstrittenen Zusatzstoffen.

Es ist auch eine ziemlich lustige Welt. »Es geht um die Vurst«, kündigte die Lebensmittelzeitung an. Gemeint ist zum Beispiel das, was Schröders Fleischwarenfabrik in Saarbrücken verkauft: Schröders ExtraVurst. Ein Wurstimitat aus Weizengluten, Sojaprotein und Gemüse.

Es gibt sogar, noch lustiger, den Vleischsalat vom Tofutier, von der aufstrebenden Veganschmiede Tofutown. Ein frühes Produkt war Valess, das innen etwas weißliche panierte Imitat von der Molkerei FrieslandCampina auf der Basis von Kuhmilch, jetzt erhältlich in diversen Varianten von Schnitzel bis Bratwurst.

Die Rügenwalder Mühle war eine der ersten Fleischfabriken mit einem Veggie-Sortiment, darunter Vegetarischer Schinken Spicker. Verkauft sich prächtig, obwohl die Hauptzutat »Hühnerei-Eiweiß« ist. Da fehlt es natürlich noch an der letzten Konsequenz. Denn schließlich geht es um die völlige Eliminierung vom Tier.

Fleisch und Ei ganz ohne Tier, aber mit viel Chemie

Josh ist da schon weiter, der sympathische Weltverbesserer aus dem Dunstkreis vom Silicon Valley. Seine Firma Hampton Creek, ansässig im kalifornischen San Francisco, hat dafür gesorgt, dass das »Huhn komplett aus dem System entfernt« wird. Und trotzdem so etwas Ähnliches wie ein Ei konstruiert, natürlich ohne Einbeziehung einer Henne.

Produktbezeichnung: »Beyond Eggs« (»Jenseits von Eiern«). Dann kam »Just Mayo«, Mayonnaise ohne Ei, und schließlich Kekse ohne Ei. Das alles setzt natürlich einen gewissen technischen Aufwand voraus. Der Ei-Ersatz zum Beispiel wird auf der Basis von Erbsen konstruiert, mit Zutaten wie modifizierter Stärke, auch Zucker und Beta-Carotin sowie Substanzen, mit denen nur Food-Technologen etwas anzufangen wissen: zum Beispiel ein Stoff namens Calcium-Dinatrium-Ethylendiamintetraacetat (E385).

Auch das Erbseneiweiß ist eine Herausforderung für die Technik: Klingt zwar ziemlich naturnah, aber das Eiweiß muss ja erst einmal herausgelöst werden aus der Erbse; zu Hause in der Küche geht so was natürlich nicht.

Und das soll nur der Anfang sein. Mit Geld des Microsoft-Milliardärs Bill Gates, Datenanalysten von Google und Biochemikern von der Universität Stanford entschlüsseln Tetricks Techniker alle bekannten Pflanzenarten weltweit, um tierisches Eiweiß zu ersetzen. Zum Einsatz kommt alles, was das Labor hergibt – Hauptsache, kein Tier.

Künstliche Lebensmittel entwickeln kostet viel Geld

Nicht ganz zu Unrecht fürchtet Tetrick, dass seine Weltverbesserungskekse als »Frankenstein-Food« geschmäht werden könnten, unnatürliches Zeug, zusammengebraut von durchgeknallten Chemikern in irren Laboren. Deshalb beteuert er: »Diese Jungs synthetisieren nicht Sachen, sie schieben nicht scheibchenweise DNA zusammen, sie lassen nicht irgendwas in einer Petrischale wachsen.«.

Aber klar: Ein bisschen Innovation erwarten die Investoren schon. Die werfen ja keine Millionen aus für einen neuen Gemüseteller mit Reis. Und Geld gab es reichlich: 500 000 Dollar (400 000 Euro) investierte ein Milliardär namens Vinod Khosla, Gründer des Computerzulieferers Sun Microsystems, weitere Vorschüsse gab es von prominenten Investoren wie dem berühmten Mister Li aus Hongkong: Li Ka Shing, reichster Mann Asiens. Oder von dem deutschstämmigen PayPal-Gründer Peter Thiel, dem ehemaligen Yahoo-Boss Jerry Yang und dem Facebook-Mitgründer Eduardo Saverin. 120 Millionen Dollar insgesamt.

Aber es gab auch Gegenwind, von Big Food: Unilever, der britisch-niederländische Mischkonzern, klagte gegen Just Mayo wegen Verbrauchertäuschung. Denn Unilever hat auch eine sogenannte Mayonnaise, Markenname Hellmann’s, sie nennen es die »wahre« Mayonnaise, was natürlich auch gelogen ist, schließlich ist es keine richtige Mayonnaise, sondern ein Industrieprodukt, ebenfalls hergestellt mit Zutaten wie jenem E385, wie bei Joshs Techno-Mayo; und auch bei Unilever kommt der Geschmack von: »Aroma«.

Aber: Es bringt mehr als eine Milliarde Euro im Jahr ein, ist sogar Marktführer dort in den USA. So zeigte der Riese dem kleinen, sympathischen Startup gleich die Zähne: Just Mayo nehme Unilever Marktanteile ab, verursache »ernsthafte, irreparable Schäden«, schrieben die Konzern-Advokaten in ihrer Klageschrift.

Unilever berief sich auf eine Definition der US-Lebensmittelbehörde FDA von 1957, nach der Mayo Eigelb enthalten muss, und verlangte gleich mal das Dreifache des Hampton-Creek-Gewinns als Schadensersatz, plus Anwaltsgebühren. Zudem solle Joshs Firma das Ei-Bildchen von den Etiketten nehmen, Anzeigen stoppen, die zur Verwirrung der Konsumenten beitragen könnten, und einfach damit aufhören zu erzählen, dass Just Mayo besser sei als Hellmann’s.

Pflanzliche Ersatzstoffe sind auch bei den großen Herstellern beliebt

Josh aber reagierte auf all die Attacken ganz friedfertig. Er will schließlich das Gute. So bat seine Gemeinde per Online-Petition alle Fans, den Kontrahenten zur Umkehr zu bewegen: »Bittet Unilever, sich um die Erschaffung einer besseren Welt zu bemühen, statt andere davon abzuhalten.«

Da gaben die Leute von Unilever ganz schnell klein bei. Und versicherten, sie seien eigentlich auch auf der Seite der Guten, verfolgten sogar »ganz ähnliche Ziele wie Hampton Creek«. Denn: »Wir investieren pro Jahr über eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung und beschäftigen uns dabei auch mit pflanzlichen Ersatzstoffen

Pflanzliche »Ersatzstoffe«. Sie sind jetzt offenbar so etwas wie die Bausteine für eine bessere Welt. Das ist auch eine schöne Karriere. Früher waren sie eher aus der Not geboren. Geschöpfe des Mangels, für die die Medien oft nur Spott übrig hatten.

Als frühes Beispiel gilt eine Erfindung von Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Bundeskanzler: Der hatte nach dem Ersten Weltkrieg eine blutgefärbte Ersatzwurst aus Soja patentieren lassen. Und auch die DDR hatte in ihren Laboren viele Innovationen geschaffen, darunter sogar auch jene pionierhafte Ersatz-Mayo, die der Nahrungskundler Manfred Richter aus Potsdam-Rehbrücke sozusagen über Nacht erfand, weil er abends, bevor er nach Hause ging, einen selbstangerührten Stärkebrei in den Kühlschrank gestellt hatte.

Am nächsten Morgen hatte sich die Versuchsmixtur so zu ihrem Vorteil verändert, dass sie als »gelbildendes Stärkehydrolysenprodukt«, kurz »SHP« genannt, in die Geschichte eingehen konnte, geeignet, um Fett zu ersetzen in Mayonnaisen, aber auch, so Erfinder Richter, um »Schmelzkäse zu verlängern«. Fortan produzierten DDR-Fabriken jährlich 3000 Tonnen SHP.

Richter bekam immerhin den »Nationalpreis der DDR II. Klasse«. Das Rezept für seinen Stärkebrei wurde, wie üblich, zur »vertraulichen Verschlusssache« erklärt. Heute würde es »Beyond Cheese« heißen und wäre der Hit im Veganer-Valley, vielleicht als Schmelzkäseersatz für einen »Beyond-Cheeseburger«. Die neuen, fleischlosen Hamburger sind ja schon in Arbeit.

So fleischnah wie möglich soll das vegane Essen sein

Mark Post, Forscher an der niederländischen Universität Maastricht, hat 2013 unter großer Anteilnahme der Weltpresse in London schon ein Pilotmodell vorgestellt, einen Hamburger aus künstlichem, im Labor gezüchtetem Rindfleisch, finanziert von Google-Mitgründer Sergey Brin. Noch besser, noch fleischnäher ist jener fleischlose Burger, aus dem sogar fleischloser Fleischsaft austritt, präsentiert von einem Mann namens Patrick O. Brown, Inhaber der Firma Impossible Food (»Unmögliches Essen«), 50 Mitarbeiter, ansässig im Silicon Valley, in einer Stadt namens Redwood City; zu den Investoren gehört auch hier der Microsoft-Milliardär Bill Gates.

Fleisch muss offenbar sein, auch in jener besseren Welt, in der die Tiere eliminiert sind, die normalerweise für die Fleischversorgung zuständig sind. Und das ist auch gar kein Problem, höchstens ein technisches, meint ein anderer Brown, Ethan Brown. Denn: »Es gibt zwei Möglichkeiten zu verstehen, was Fleisch ist.«

Und zwar, erstens: »Dass es von einem Tier stammt.« Und dann die andere, die eher pragmatische: »Es besteht aus Aminosäuren, Fetten, Kohlenhydraten, Mineralien und Wasser. Und das kommt alles auch in Pflanzen vor.« Ethan Brown ist Inhaber der Firma Beyond Meat (»Jenseits von Fleisch«), ansässig im US- Staat Minnesota. Eine Maschine, die sie den »Ochsen« nennen, stellt »veganes Fleisch« her, wie Ethan sagt, aus Erbsen- und Sojaprotein, Wasser, Sonnenblumen- und Rapsöl und unter der Einwirkung von Druck und Hitze.

Zusatzstoffe sorgen für die Fleischähnlichkeit

Manchmal braucht es auch noch andere Substanzen, damit die Wurst im Innersten zusammenhält, einen Stoff namens Xanthan zum Beispiel. Der wirkt, neben Säureregulatoren und Farbstoffen, am vegetarischen Schinken Spicker mit, dem vielgelobten fleischfernen Pionierprodukt aus dem Hause Rügenwalder Mühle.

Xanthan ist ein ganz toller Stoff, ein Stabilisator, der zum Beispiel auch Ketchup homogen beisammenhält. Sonst flösse auf dem Teller das Wasser davon. Xanthan (E415) gilt als harmlos. Und als vollkommen natürlich, das betonen die Nahrungstechniker immer wieder.

Die Wahrheit ist: Xanthan gibt es in der Natur nicht, es wurde speziell für die Wünsche der Nahrungsindustrie konstruiert. Der Stoff muss eigens hergestellt werden, aus den Ausscheidungen von, mitunter genmanipulierten, Bakterien. Es ist, krass formuliert, Bazillenschiss.

Xanthan enthält auch der Vleischsalat Classic von der Virma, Pardon, Firma »Vegafit«, Spezialist für »Visch & Vleisch«; oder der Vegetarische Aufschnitt mit dem etwas rätselhaften Zusatz »naturell« aus dem Hause Vegetaria. Die Vegetarischen Würstchen des gleichen Herstellers enthalten zudem Carrageen, jenen umstrittenen Zusatzstoff mit der E-Nummer 407, der bei Darmproblemen im Verdacht steht, bei Geschwüren im Verdauungstrakt, selbst bei der Zuckerkrankheit.

Die Veggie-Industrie kennt da offenbar keine Berührungsängste: Der Stoff steckt auch im Provamel Soya Dessert Choco Geschmack, im Schweizer No-Muh-Chäs und in der Veganen Salami von Veggy Friends.

Auch in fleischlosen Produkten stecken ungesunde Zusatzstoffe

So sind zwar keine Tiere im Spiel, aber die beliebtesten Chemikalien der Tierindustrie, darunter die umstrittensten wie etwa die sogenannten Phosphate. Sie stecken überraschenderweise in der Alpro Soyamilch Original lieblicher Geschmack und im Ersatzschnitzel Marke Valess Provencal Fleischfreie Filets gefüllt mit Frischkäse mit Kräutern der Provence.

Vor diesen Substanzen warnte sogar schon das deutsche Ärzteblatt, weil sie dazu führen können, dass die Knochen geschwächt werden, die Adern verkalken, das Herz leidet, und sogar ein früher Tod droht.

Kein Wunder, dass Verbraucherschützer von solchen Innovationen nicht unbedingt begeistert sind. »Gesunde Ernährung sieht anders aus«, sagt etwa Georg Rathwallner, Leiter der Konsumenteninformation der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich, einer staatlichen Verbraucherschutzinstitution in der Alpenrepublik. Er moniert, dass bei diesen Ersatzprodukten die ganze Hexenküche der Chemie im Einsatz sei: Stabilisatoren und Verdickungsmittel, Aromen, Gewürzextrakte, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Hefeextrakte.

»Zudem ist der Salz- und Fettanteil und in der Folge der Kaloriengehalt hoch. In manchen Fällen enthalten die Wurstersatzprodukte Fett und Salz im gleichen Ausmaß wie ihre tierischen Vorbilder.«

Soja und Co. sind Kunstprodukte, die mit natürlicher Ernährung nichts zu tun haben

Die Schadstoff-Fahnder von ÖKO-TEST machten nicht nur die üblichen verdächtigen Zusatzstoffe aus, sondern auch Arsen. Und, im Taifun Seidentofu mit dem Demeter-Label, sogar Gentechnik – was in US-Hightech-Veggie-Produkten als Ausweis besonderer Innovationsstärke gelten darf, bei den ÖKO-TEST-Opas aber Punktabzug gibt.

»Inakzeptabel« sei auch der Einsatz von »natürlichem« Aroma, etwa im »Vitam Kartoffelpüree«. ÖKO-TEST streng: »Geschmack sollte aus natürlichen Rohstoffen resultieren.«

Die Angabe »pflanzlich« sei eben nicht, wie oft angenommen werde, gleichbedeutend mit »natürlich«, stellt Silke Schwartau klar, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Das sind allerdings ziemlich altmodische Ansichten. Als ob tierfrei irgendwas mit Natur zu tun haben müsste.

Soja beispielsweise, das Grundnahrungsmittel der Fleischverächter, ist ja von Natur aus ungenießbar. Jetzt aber sind die Supermärkte voll davon. Sojamilch, Sojakäse, Sojajoghurt, dazu der ganze Tofu-Kosmos: Die Bohne hat, in ihren verschiedenen Verwandlungsformen, eine steile Karriere als Milch-und-Fleisch-Ersatz hinter sich, und ihre Beliebtheit steigt stetig. Aber sie stößt nicht überall auf Begeisterung.

Überraschenderweise hatte schon der Milchkritiker und Naturkostvorkämpfer Max Otto Bruker (1909–2001) bei Soja so seine Bedenken: »Leider stimmt die Heiligenlegende der Sojabohne hinten und vorne nicht!« Nichts gegen Sojasprossen oder Sojasauce. Dagegen sei »nichts einzuwenden«. Anders bei den zahlreichen anderen Sojaerzeugnissen: Für sie gilt sein Verdikt über alle »denaturierten« Produkte: »Sie bringen nicht nur nichts, sie schaden oft sogar.«

Sojamilch, zum Beispiel, bringt ihn ziemlich auf die Palme: »Damit man dieses Kunstprodukt überhaupt in den Magen bringt, wurde es von den Nahrungsmittelsynthetikern erst einmal konzentriert, strukturiert und aromatisiert. Während man Kuh- oder Muttermilch roh trinken kann, ist das mit der Sojamilch völlig unmöglich. Der wässrige Eiweißauszug aus Soja ist in seiner noch unbearbeiteten Form ungenießbar – allein der sprachliche Etikettenschwindel rückt ihn in die Nähe der Milch.«

Die Geschichte des Soja

Für die amerikanische Ernährungswissenschaftlerin und Autorin Kaayla T. Daniel (»The Whole Soy Story«) ist der Soja-Boom vor allem ein Erfolg des Marketings. Mit irgendwelchen alten asiatischen Traditionen sei er nicht zu begründen: »Die Chinesen verehrten die Sojabohne, aber sie aßen sie nicht.« Die Sojabohne galt ihnen als eines der »Fünf Heiligen Körner« – zusammen mit Reis, Hirse, Malz und Weizen.

Aber Soja diente eher als Dünger denn als Speise, als Stickstoffbinder, wie das die Agrarfachleute nennen. Und es dauerte Jahrhunderte, um überhaupt eine Handvoll genießbarer Soja-Speisen zu entwickeln: Ganz am Anfang, ab dem 2. Jahrhundert vor Christus, erfanden die alten Chinesen die Sojasauce und Tofu, später dann ein sogenanntes Chiang, etwas Ähnliches wie die japanische Misopaste. Das war’s allerdings erst mal für Hunderte von Jahren. Im Jahre 1000 kam dann das japanische Traditionserzeugnis Natto dazu, durch Einwirkung von Mikroben des Typs Bacillus subtilis ssp. natto fermentiert, und noch einmal mehr als ein halbes Jahrtausend später das indonesische Fermentationsprodukt Tempeh.

Dass sich die Beliebtheit über Jahrtausende in engen Grenzen bewegte, liege daran, meint Kaayla T. Daniel, dass Soja keineswegs besonders gesund sei. Tatsächlich sind eine Fülle von Risiken und Nebenwirkungen dokumentiert.

Risiken und Nebenwirkungen von Soja: Demenz

Bei Tofu beispielsweise ist es der mäßigende Einfluss auf die Libido, der sogar die Ausbreitung förderte, etwa bei den Mönchen in den asiatischen Klöstern, die ebenso vegetarisch wie zölibatär lebten. Die Begründung liefert heute die Naturwissenschaft: Soja senkt in der Tat den Testosteronspiegel. Das ergab eine finnisch-amerikanische Studie unter Leitung von Edwin D. Lephart vom Neuroscience Center an der Brigham Young University im Staate Utah.

Auch Effekte aufs Gehirn sind überliefert – bis hin zur Alzheimerkrankheit. So berichtete eine Soja-Konsumentin aus dem neuseeländischen Auckland von ausgeprägter Vergesslichkeit: »Ich bin Chefsekretärin, aber fast hätte ich mit Mitte fünfzig meinen Job verloren, weil ich alzheimerartige Symptome entwickelte. Das ging so weit, dass ich am Telefon nicht mehr wusste, was ich sagen sollte.«

Das ist womöglich kein Einzelfall: Tofu hat jedenfalls nachweislich ganz ähnliche Effekte, wie der US-Wissenschaftler Lon R. White vom Pacific-Health-Institut in Honolulu herausgefunden hat, in einer Studie mit 4236 Amerikanern japanischer Abstammung. Bei jenen von ihnen, die mindestens zweimal in der Woche Tofu aßen, alterte häufig das Hirn schneller, viele zeigten verminderte kognitive Leistungen, und sie hatten ein fast doppelt so hohes Risiko für Hirnschwund wie die anderen. White führt den Effekt auf die sogenannten Isoflavone zurück.

Auch eine Studie unter älteren Indonesiern von Eef Hogervorst vom Department of Human Sciences an der britischen Loughborough University bestätigte: Je mehr Tofu jemand isst, desto höher ist das Demenzrisiko.

Freunde des Vegetarismus wie der Ernährungswissenschaftler Markus Keller, Leiter des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE), kritisieren allerdings die Studien: Sie zeigten »methodische Schwächen«. Möglicherweise spielten neben Tofu auch andere Faktoren eine Rolle: frühkindliche Erfahrungen oder sozialer Status beispielsweise. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schätzt »das Risiko einer Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten« durch einen »moderaten Tofu-Verzehr« mit höchstens zwei Portionen pro Woche »als gering« ein.

Kann der Fleischersatz Soja Brustkrebs fördern?

Umstritten ist auch die Rolle, die Soja bei Brustkrebs spielt. Zwar ergab die überwiegende Mehrheit der Studien zu Soja ein verringertes Risiko – aber nicht bei allen Frauen. Insbesondere Tofu lasse das Risiko mitunter noch ansteigen, je nach Alter, den verzehrten Mengen und den individuellen Reaktionen auf die Inhaltsstoffe.

Als besonders bedenklich sehen Kritiker die Tatsache, dass Soja und Tofu die Schilddrüsenfunktion und damit den gesamten Organismus negativ beeinflussen können, und zwar aufgrund der sogenannten Goitrogene. Das sind Stoffe, die, als äußeres Zeichen für Veränderungen an der Schilddrüse, einen Kropf wachsen lassen – was bei Versuchstieren beobachtet wurde, aber auch bei Säuglingen, nach hohem Sojakonsum.

Zum Problem kann Soja auch werden bei Schilddrüsenkrankheiten wie jener, die nach ihrem Entdecker, dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881–1934), benannt wurde. Die Symptome reichen von Nervosität und Reizbarkeit über Schwitzen, Übelkeit sowie verringerte Libido bis zu Haarausfall, Herzklopfen und Herzrasen, sogar Herzrhythmusstörungen sind möglich, und starke Gewichtszunahme.

Schon 30 Gramm eingelegte Sojabohnen am Tag können zu Schilddrüsenstörungen führen, wie Dr. Yoshimochi Ishizuki von der Ishizuki-Schilddrüsenklinik an der Medizinischen Universität im japanischen Aichi nachwies.

Hans Ulrich Grimm
Experte: Dr. Hans-Ulrich Grimm
Dr. Hans-Ulrich Grimm ist Journalist und Autor, er lebt in Stuttgart.