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Therapeuten Apps sollen helfen: Kann eine App einen Thera­peuten ersetzen?

Viele Menschen leiden unter psychischen Problemen. Oft sind Therapieplätze rar. Nun sollen Computer-Programme und Apps dem Therapeutenmangel entgegenwirken.
von Julia Höger
Mobile HilfeFoto: Denis Lambert © picture alliance / maxppp

Jeder dritte Deutsche hat mit psychischen Krankheiten zu kämpfen. Und es gibt zu wenig Therapieplätze und Therapeuten. Nun sollen Computer-Programme und Apps unterstützen und dem Therapeutenmangel entgegenwirken.

Jürgen H. geht morgens mit Bauchschmerzen zur Arbeit. Ein 16-Stunden-Tag ist in seiner Branche nicht ungewöhnlich und wenn er einmal um 18 Uhr nach Hause geht, fragen die Kollegen, ob er sich einen halben Tag frei genommen hat. Druck ist das Stichwort. So sieht sein Leben nun seit drei Jahren aus und es besteht keine Aussicht auf Veränderung. Seit einiger Zeit kann Jürgen nicht mehr schlafen, bekommt Herzrasen vor Meetings und fühlt sich einfach nur ausgepowert. Anhand von Infos aus dem Internet erkennt Jürgen, dass er wohl auch in die Kategorie „Volkskrankheit Burnout“ fällt.

Doch was nun? Jürgen wendet sich an einen Psychologen und erhält zügig einen Termin zum ersten Gespräch. Auch die Therapeutin bestätigt: Burnout. Gleichzeitig bedauert sie, dass der nächste Termin dann in drei Monaten verfügbar sei. Vielen Betroffenen geht es ähnlich. Im Schnitt wartet ein Patient circa 80 Tage auf den Beginn seiner Therapie. Drei lange Monate, in denen die Verzweiflung über den eigenen Zustand wächst und wächst.

Die eigenen Stimmungen mit Freunden teilen: Moodscope

Apps, die helfen sollenFoto: Marc Saha/evidero
Apps, die helfen sollen

Jon Cousins wird an seinem persönlichen Tiefpunkt ebenfalls mit dieser zeitlichen Perspektive nach Hause geschickt und beschließt sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Er erfindet Moodscope, eine Internetplattform zum Messen und Verfolgen der eigenen Stimmung. „Ich habe gebetet, dass eine ärztliche Diagnose mir Hilfe bringen würde, aber ich habe herausgefunden, dass es wenig Unterstützung für jemanden wie mich gibt. Ich war auf mich alleine gestellt,“ so Jon Cousins über die Hintergründe seiner Erfindung. Moodscope ist inspiriert vom Weight-Watchers -Prinzip: „Ich habe mir angeschaut, wie Weight Watchers funktioniert. Die Mitglieder protokollieren ihr Gewicht und teilen es mit anderen, die sie unterstützen und ermutigen. Die wissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass es wirklich funktioniert. Könnte etwas ähnliches nicht also auch funktionieren, um Stimmungen zu bewältigen?“

Moodscope basiert auf einem komplexen Persönlichkeits-Test, den Cousins für seine Zwecke vereinfacht hat. Täglich müssen die Nutzer ihre Stimmung protokollieren und das Ergebnis wird umgehend an deren ausgewählte Freunde gesendet. So wissen diese Bescheid und können unterstützend reagieren, wenn Hilfe nötig ist. „Wie durch ein Wunder stabilisierte sich meine Stimmung dank diesem „Kumpel-System“ fast über Nacht,“ so Cousins über seine Fortschritte.

Die Verbindung zwischen Alltag und Zufriedenheit: Track your Happiness

Das Einbeziehen modernster Technik ist auch den Forschern Matthew Killingworth und Daniel Gilbert der Harvard University nicht verborgen geblieben. Sie nutzen die iPhone App „Track your Happiness“, um herauszufinden, wann Menschen im Alltag am zufriedensten sind. Die App ist also keine direkte Hilfestellung für Personen mit psychischen Problemen — sie soll aber auf lange Sicht gesehen unterstützen, indem sie herausfindet, welche Alltags-Situationen besonders glücklich machen. Bisherige Ergebnisse sind zwar vage, der Trend zeigt jedoch, dass Menschen, die im Hier und Jetzt leben, allgemein zufriedener sind.

Mobile Phone ## Foto: ©Margaret E Morris, Qusai Kathawala, Farzin Guilak, William Deleeuw, Michael Labhard, Todd K Leen, Ethan E Gorenstein. Originally published in the Journal of Medical Internet Research (http://www.jmir.org), 30.04.2010  ## Mobile Therapy

Psychologische Tipps aus dem iPhone: Mobile Therapy

Die App „Mobile Therapy“ basiert auf der „Miller Mood Map“. Diese Mood Map, entwickelt von Dr. Liz Miller, stellt vier Stimmungen dar:

  • Anxiety (ängstlich / unruhig)
  • Action (energiegeladen)
  • Calm (ruhig / gelassen)
  • Tired (müde / ausgepowert)

Die Nutzer sollen erkennen, wie sie sich fühlen und verstehen, wie andere Menschen sich fühlen. Es geht darum, die Gemüts-Zustände aufzuzeichnen und die Entwicklung zu beobachten.

Die App „Mobile Therapy“ setzt an dieser Stelle an. Dr. Margaret Morris, klinische Psychologin und Mitarbeiterin von Intel Corp., hat die App entwickelt. Im Laufe des Tages sollen die Patienten ihre Stimmungen auf dem Handy auf einer „Mood Map“ bewerten und können gleichzeitig auch Aufzeichnungen, z.B. über ihr Ess-, Schlaf- und Freizeit-Verhalten machen. Am Ende der Woche schauen sie sich die Aufzeichnungen an und stellen im Idealfall Verbindungen zwischen Stimmungen und Verhaltensmustern her. Im Alltag hilft die App, indem sie dem Nutzer Aufgaben stellt, beispielsweise Atemübungen, zur Bewältigung von stressigen Situationen.

Wer es nicht ganz so technisch mag, der kann natürlich zur Überbrückung der Wartezeit auch auf die altbewährte Methode zurückgreifen und Selbsthilfe-Foren im Internet besuchen. Unten finden Sie eine Liste zu verschiedenen Themengebieten.

Zur Forschung beitragen und gleichzeitig Hilfe erhalten

Eine weitere Alternative ist es, selbst aktiv zu werden, z.B. als Teil einer Studie. Die Universität Lübeck leitet derzeit eine Studie zum Thema „Internetbasierte Selbsthilfe bei leichten bis mittelgradigen Depressionen“ in Kooperation mit einigen Schweizer Universitäten. Es wird erforscht, wie wirksam Selbsthilfe über das Internet wirklich ist. Neben der örtlichen und zeitlichen Flexibilität einer internet-basierten Selbsthilfe ist auch der Aspekt zu nennen, dass Patienten frühzeitig behandelt werden können.

Das extra für die Studie entwickelte Programm „deprexis“ kommuniziert mit dem Patienten online, indem es ihm Fragen stellt, welche der Patient per Mausklick beantwortet. Psychotherapeutische Techniken sind hier die Basis und auch wurde bei der Entwicklung Wert auf die individuelle Vermittlung der Inhalte gelegt. Außerdem gibt es für jeden Teilnehmer einen speziell auf ihn zugeschnittenen Notfallplan, der mit den Forschern zuvor telefonisch erarbeitet wird. Wünschenswert ist es, dass die internet-basierte Selbsthilfe sich als wirksame Zwischenstufe erweist. Für Menschen mit schwerwiegenden Depressionen ist diese Methode daher nicht geeignet. Weitere Informationen zur Studie und wie Sie daran teilnehmen können, finden Sie in unseren weiterführenden Informationen.

All diese modernen, technischen Methoden können Menschen helfen, die auf einen Therapieplatz warten. Sie können unterstützen, überbrücken und bieten die Möglichkeit aktiv statt passiv mit den eigenen Problemen umzugehen. Ob sie menschliche Therapeuten ersetzen können, sei vorerst dahingestellt.

Autorin: Julia Höger
Julia Höger ist seit kurzem als Freelancer tätig. Sie entwickelt Webseiten und arbeitet als freie Journalistin, Übersetzerin und Sängerin...

Weitere Informationen:

www.moodscope.com

www.trackyourhappiness.org

www.moodmapping.com

www.deprexis.de

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