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Mobbing am Arbeitsplatz: Der beste Umgang mit Aggressionen am Arbeitsplatz

Aggressive Kollegen, Mobbing, Stress mit dem Chef, eigene Wut oder Streit zwischen Kollegen: So reagiert man richtig auf Aggressivität am Arbeitsplatz.
von Ulrich Krämer
© olly

Gewalt hat viele Gesichter. Eine besonders schwierige Situation entsteht, wenn wir Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt sind – egal ob in Form von Mobbing, verbaler Gewalt oder gar körperlichen Attacken. Doch Aggression ist nicht nur etwas negatives – Anti-Gewalt-Trainer Ulrich Krämer gibt Tipps.

Aggressionen sind nichts negatives, sondern ein lebensnotwendiger Trieb, sozusagen ein An-Trieb. Es bedeutet zunächst einmal, aktiv zu sein, etwas anzugehen und durchsetzungs-fähig zu sein. Ohne eine gesunde Grund-Aggressivität würden wir an der Wursttheke ständig zur Seite geschubst, am Bus immer zurückgedrängt und eine Beförderung würden wir nur schwerlich bekommen.

Aggressives Verhalten bedeutet nicht automatisch auch Erfolg im Job

Experte: Ulrich Krämer
Ulrich Krämer ist diplomierter Sozialpädagoge und hat sich auf Deeskalations- und Anti-Gewalt-Training spezialisiert.
Wer in der Lage ist, seine Aggressivität konstruktiv zu nutzen, seine Wünsche und Vorstellungen deutlich zu artikulieren, vielleicht sogar mal kontrolliert laut zu werden oder sich zu positionieren, wird wahrscheinlich eher Karriere machen, als jemand, der sich permanent zurücknimmt.

Nun könnte man annehmen, dass aus diesem Grund ein cholerischer Typ bessere Chancen auf Karriere hat als etwa ein mediativer Typ. Das stimmt so nicht, denn auch in Führungspositionen werden diplomatische oder mediative Fähigkeiten benötigt, um den Job gut und dauerhaft erfolgreich zu machen.

Es wird auch kaum einen Menschen geben, der den Choleriker oder Streitschlichter in Reinform repräsentiert. Auch ein vorwiegend mediativer Typ wird in bestimmten Bereichen aggressive Tendenzen haben, sonst könnte er auch keinen Streit schlichten.

Wer Konflikten immer aus dem Weg geht, kann keine Karriere machen

Wer schwer Karriere machen wird, sind Konfliktvermeider oder Konfliktflüchter. Das hängt damit zusammen, dass man gar nicht mitbekommt, dass sie da sind, weil sie in der Regel keine klare Position beziehen, denn das kann ja möglicherweise Konflikte erzeugen. Wenn eine Stelle in einer höheren Position frei wird, wird derjenige die besseren Chancen haben, der auch vorher schon bei Kollegen und Vorgesetzten signalisiert hat, dass er sie ausfüllen kann und will.

Wichtig ist, die Strukturen in einem Unternehmen zu durchschauen und für sich selbst festzulegen: “Wohin will ich eigentlich?” Hier gibt es das Bild der unterschiedlich scharfen Paprikas in den verschiedenen Farben. Überlegen Sie: Welche Paprika (wie scharf = aggressiv) müssen Sie sein, um Ihr Ziel zu erreichen? Sind Sie eine milde grüne, eine würzige gelbe oder eine scharfe rote und wann lohnt es sich vielleicht, mal die eine und mal die anderen zu sein? Wenn niemand weiß, dass Sie der oder die richtige für den Job sind, werden Sie ihn auch nicht bekommen.

Wie geht man mit aggressiven Kollegen um?

Hilfe, mein Kollege bewirft mich mit Kugelschreibern! Der Umgang mit Aggressionen am Arbeitsplatz stellt eine besondere Herausforderung dar, denn immerhin geht es dabei auch um meine berufliche Existenz und Zukunft. Das heißt natürlich nicht, dass ich mir alles gefallen lassen muss.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie haben einen Kollegen, der seine Emotionen überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Bei Kleinigkeiten rastet er aus, ist überhaupt nicht kritikfähig und reagiert ständig über. Wenn Sie seinen Wutausbrüchen ständig ausgesetzt sind, hindert das auch Sie am Arbeiten und unter Umständen wird es irgendwann Zeit, den Vorgesetzten dazu zu holen und zu sagen: “Mein Kollege ist gerade nicht in der Lage, einen Konflikt konstruktiv auszutragen. Er brüllt dann herum und wirft Sachen in die Ecke und das ist schwierig für mich.”

Bevor Sie diesen Schritt gehen, sollten Sie aber immer versuchen, die Situation mit dem Kollegen selbst zu regeln. Denn: Über jemanden zu sprechen führt eher zu weiteren Eskalationen, als einen Konflikt zu beheben. Um konstruktive Lösungen zu finden, muss man immer mit dem Beteiligten sprechen und nicht über ihn.

Mobbing am Arbeitsplatz schadet dem ganzen Unternehmen

Noch brenzliger wird es, wenn wir in den Bereich von strategisch eingesetzter destruktiver Aggression kommen, sprich: Mobbing. Das ist nicht nur für das Opfer schlecht, sondern hat Auswirkungen für das ganze Unternehmen. Etwas, das gerade die Führungskräfte nicht gerne wahrnehmen, weswegen beispielsweise Kosten für einen Konfliktmoderator/Mediator häufig gescheut werden.

Dabei kann – je nach Größe des Unternehmens – ein Mobbingfall zwischen zwei Mitarbeitern im Jahr locker 40.000 – 50.000 Euro kosten. Wenn Vorgesetzte beteiligt sind (wie in über 50% aller Mobbingfälle), wachsen die jährlichen Kosten schnell in den 6-stelligen Bereich. Das setzt sich aus mehreren versteckten Kosten zusammen, wie zum Beispiel:

  • Bis zu 40 % Arbeitszeitverlust (bei Opfer und Täter) durch die Planung und Durchführung des Mobbings selbst und die Vermeidungs-Taktiken des Opfers
  • Kundenanfragen werden wegen Konzentrationsschwächen fehlerhaft, zu spät oder gar nicht bearbeitet
  • Meetings verzögern sich wegen falsch versendeter oder nicht weitergeleiteter Emails
  • Krankmeldungen des Opfers wegen psychischer/psychosomatischer Reaktionen
  • Kompletter Ausfall einer Arbeitskraft wegen körperlicher Reaktionen oder Burn-Out mit ggf. Folgen von Kündigung, Abfindung, Neubesetzung, etc.
  • Einbeziehung von weiteren Kollegen und Vorgesetzten, deren Arbeitskraft nun konfliktbezogen eingesetzt wird

Ich möchte damit nicht den emotionalen Schaden, der bis zum physischen/psychischen Zusammenbruch und sogar Suizid des Opfers führen kann, der bei Mobbing entsteht, herunterspielen, aber darauf hinweisen, dass es auch für die Unternehmensleitung immer besser ist, für ein gesundes Arbeitsklima zu sorgen und im Zweifelsfall tatsächlich einen Konfliktmoderator/Mediator zu Rate zu ziehen, bevor das Unternehmen ineffektiv wird.

Was kann ich tun, wenn ich bei der Arbeit gemobbt werde?

  • Dokumentieren Sie alle Anfeindungen in einem Mobbing-Tagebuch. Notieren Sie lückenlos, wer Ihnen was wann getan hat. Benennen Sie Zeugen. Ergänzen Sie Ihre Gefühle in der Situation. Hiermit belegen Sie Straftatbestände wie Nötigung, Beleidigung, Verleumdung, Körperverletzung, etc. für eine eventuelle gerichtliche Auseinandersetzung
  • Dokumentieren Sie psychosomatische Reaktionen jeweils durch einen Arztbesuch
  • Dokumentieren Sie Cybermobbing durch Ausdrucke der „Postings“, Mails, etc. (Screenshot)
  • Melden Sie die Schädigungen dem Vorgesetzten, ggf. Betriebsrat, die Ihnen widerfahren
  • Zögern Sie nicht, bei fehlendem inner-betrieblichen Erfolg, schädigende Verhaltensweisen & Verletzungen bei der Polizei anzuzeigen
  • Suchen Sie sich einen guten Anwalt für Arbeitsrecht und holen Sie sich ihr Recht zurück

Wie gehe ich mit eigenen Aggressionen am Arbeitsplatz um?

Jeder hat mal einen schlechten Tag und es ist auch erlaubt, am Arbeitsplatz mal sauer zu sein, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen oder laut zu werden. Solange das nicht zum Regelfall wird, natürlich. Wichtig ist, dass ich die Situation anschließend wieder kläre, mich eventuell mit Kollegen vertrage oder auch jemanden um Verzeihung bitte.

Eine große Rolle spielt hier die Konfliktkultur des Unternehmens. Achten Sie darauf: Wie wird im Unternehmen mit Konflikten umgegangen? Gibt es überhaupt eine gelebte Konfliktkultur, werden Konflikte angesprochen oder nicht? Was leben Vorgesetzte vor?

In jedem Fall brauchen Sie Strategien, wie Sie selbst sich beruhigen können, wenn Ihnen die Arbeit oder die Kollegen auf den sprichwörtlichen Wecker gehen. Steigen Sie kurz aus der Situation aus, um sich wieder zu sammeln und zu beruhigen:

  • Tee machen gehen
  • Die Toilette aufsuchen
  • Wenn möglich ein kurzer Spaziergang
  • Austausch mit einem anderen Kollegen
  • Atem- oder Entspannungs-Techniken

So reagiert man am besten auf einen aggressiven oder cholerischen Chef

Natürlich spielt es auch eine große Rolle, wer oder was die Aggression bei mir auslöst. Bei einem Kollegen, der mich anblafft, kann ich auch mal zurück patzen. Beim Chef sollte ich eventuell vorsichtiger sein. Allerdings darf man sich auch vom Chef nicht alles gefallen lassen. Wenn Sie beispielsweise einen cholerischen Vorgesetzten haben, der Sie ständig anschreit oder wegen Dingen kritisiert oder maßregelt, die nicht Ihre Schuld sind, sollten Sie Maßnahmen ergreifen:

  • Sie sollten versuchen, mit Ihrem Vorgesetzten in einer ruhigen Minute unter vier Augen zu besprechen, dass es für Sie sehr anstrengend ist, angeschrien zu werden. Fragen Sie ihn nach einem Tipp, wie Sie mit seinen Launen umgehen sollen
  • Vielleicht erkennt Ihr Chef dadurch auch sein Fehlverhalten und bessert sich
  • Gibt es noch einen anderen Vorgesetzen (ggf. höhere Hierarchie-Ebene), den Sie einschalten könnten?

Gewalt auf der Arbeit – Sollte man eingreifen?

Vielleicht haben Sie schon einmal gewalttätiges Verhalten zwischen anderen Kollegen beobachtet, vielleicht sogar einen Mobbingfall. Hier fragt man sich natürlich sofort: Sollte man eingreifen? Körperliche Übergriffe in Unternehmen sind eher selten, verbale Anfeindungen kommen schon häufiger vor. Beachten Sie dabei folgendes:

  • Bei körperlichen Angriffen nicht selbst dazwischen gehen. Werden Sie laut, holen Sie Hilfe, aber achten Sie auch auf Ihre eigene Sicherheit
  • Bei verbalen Übergriffen, zum Beispiel auch sexuellen Anspielungen gegenüber Kolleginnen, können Sie Stellung beziehen und deutlich machen, dass Sie ein solches Verhalten nicht akzeptieren
  • Zeigen Sie einem Opfer von Aggressionen, dass Sie es unterstützen und als Zeuge zur Verfügung stehen
  • Suchen Sie sich einen weiteren Kollegen, der Sie hier unterstützt und zur Seite steht
  • Sie können auch direkt den Vorgesetzten und/oder den Betriebsrat einschalten
Experte: Ulrich Krämer
Ulrich Krämer ist diplomierter Sozialpädagoge und hat sich auf Deeskalations- und Anti-Gewalt-Training spezialisiert.