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Härtere Strafen für aggressive Fahrradfahrer? : Von Kampfradlern und Personalbeschaffung

Verkehrsregeln sind für alle da: Auch für Radfahrer. Viele halten sich aber nicht an sie. Jetzt will die Polizei durchgreifen.
von Volker Eidems
Telefonieren auf dem Fahrrad?Foto: LEHTIKUVA / Sixten Johansson © dpa - Report

Die Missachtung von Verkehrsregeln ist unter Radfahrern inflationär, so die allgemeine Abwatsche der Gewerkschaft der Polizei gegenüber “Kampfradlern”. Alkohol-, gar Handyverbote müssten ausgesprochen werden. Blogger Volker Eidems übt Kritik an dieser pauschalen Schelte.

Es hätte so schön werden können: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und ich waren einer Meinung.  Aber die jüngste Pressemeldung (10.04.2012) und insbesondere die Äußerungen des GdP-Vorsitzenden Bernhard Witthaut haben die Einigkeit schon wieder zerstört:

„Die Missachtung von Verkehrsregeln unter Radfahrern ist inflationär, an keine Altersgruppe oder soziale Schichtung gebunden. Anzugträger ignorieren rote Ampeln ebenso wie Kinder, junge Mütter, Jugendliche und auch ältere Menschen. Die Verkehrspolitik muss die explodierende Zunahme des Fahrradverkehrs ebenso stärker in den Focus nehmen, wie das Verhalten der seiner Teilnehmer“, heißt es auf deren Website in wackligem Deutsch, aber wenn man sich mal in Rage geredet hat, kann das ja passieren.

Was will Witthaut aber sagen? Dass es überraschenderweise gar keine Assis sind, die Verkehrsregeln missachten? Und dann kommt es nochmal knüppeldick: „Kaum jemand muss damit rechnen erwischt zu werden, weil die Polizei nicht genug Personal hat, den Straßenverkehr insgesamt, besonders aber das Verkehrsverhalten von Fußgängern und Radfahrern, spürbar zu überwachen.“, wird Witthaut zitiert.

Das hört sich an, als wolle er nur mehr Personal für seine Truppe. Und damit soll es dann wieder den Schwächsten an den Kragen gehen, die sind ja – bei entsprechender Einsatzstärke – auch leichter zu schnappen als ihre motorisierten Genossen …

Härtere Strafen für Radfahrer?

Die Berliner Zeitung etwa druckt dann noch Witthauts Überlegungen zu Kennzeichenpflicht für Radfahrer und höheren Strafen: „Es müsste geprüft werden, ob der Bußgeldkatalog für Radfahrer nicht an den für Autofahrer angepasst werden könnte, etwa wenn man beim Radfahren das Handy benutzt“, erklärte […] Witthaut, der auch die Promillegrenzen der Autofahrer für Radler übernehmen will.

Witthaut hat absolut Recht, wenn er mehr Rücksicht von ALLEN Straßenverkehrsteilnehmern einfordert. Aber das Kräfteverhältnis sollte dabei schon berücksichtigt werden: Welche Gefahr birgt ein telefonierender Radfahrer? Es wundert mich geradezu, dass Witthaut nicht auch den Fußgängern das Telefonieren verbieten will …

Wenn ich mit dem Fahrrad an einer roten Ampel rechts auf den Radweg abbiege, und dabei kein Mensch in der Nähe ist, habe ich niemanden gefährdet. Wenn ich mit dem Auto rechts abbiege und einen Fußgänger oder Radfahrer übersehe, kann ich diesen schwer verletzen oder sogar töten.

Sollten für Radfahrer dieselben Regeln gelten wie für Autofahrer?

Ein rasender Radfahrer in der Fußgängerzone gehört genauso bestraft wie der rücksichtslose Autofahrer in der Tempo-30-Zone. Ein Radfahrer ohne Licht oder auf der falschen Straßenseite gefährdet aber in erster Linie sich selbst und nicht das Leben seiner Mitmenschen – und wenn er vorsichtig fährt, schadet er niemandem.

Warum zum Beispiel rote Ampeln nachts von Fußgängern und Radfahrern nicht straffrei überquert werden dürfen, wenn ansonsten kein Fahrzeug auf der Straße ist, habe ich noch nie verstanden bis auf das Argument „Versicherung“. Ihnen fehlt doch völlig das Potenzial jemanden – oder auch nur die Ordnung – zu bedrohen, sie sind mit allen Sinnen dichter am Geschehen als jeder Autofahrer und können entsprechend reagieren.

Vor kurzem war ich nochmal in den Niederlanden und wieder einmal fasziniert, welche Möglichkeiten es gibt, schwächere Verkehrsteilnehmer zu stärken. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Statt Ampeln gibt es hier häufiger Zebrastreifen – die von den Autofahrern auch beachtet werden! – und somit Vorrang für Radfahrer und Fußgänger. Die Radwege sind dort breit genug, um mit zwei Fahrrädern nebeneinander herzufahren – auch wenn sie nur auf der Straße markiert sind.

Es gibt noch soviel Potenzial, die Stellung von Fußgängern und Radfahrern zu verbessern, dass ich die allgemeine Schelte der GdP nicht nachvollziehen kann. Solange weiter das Gefühl vorherrscht, dass es grüne Welle und freie Fahrt nur für Autos und Motorräder gibt, der öffentliche Raum durch Parkplätze, Asphaltwüsten und Abgase entwertet wird, kann ich die „kleinen Sünden“ nicht krumm nehmen, solange sie niemanden gefährden.

Wirklich rücksichtsloses Verhalten aber sollte man keiner Gruppe durchgehen lassen.

Weitere Informationen:

Pressemeldung der Polizei: http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Kampfradler?open&l=DE&ccm=300010

Autor: Volker Eidems
Volker Eidems (Soziologe M.A.) ist gern unterwegs, am liebsten mit dem Rad. Wenn die Strecken aber zu lang oder die Koffer zu groß für den Fahrradanhänger sind, nutzt er möglichst das ökologischste alternative Verkehrsmittel – und das ist gar nicht so einfach zu ermitteln...